Hamburg/Deutschland: Welche Maßnahme ist die richtige, welche die wirksamste? In allen vom Coronavirus betroffenen Ländern wird täglich diskutiert, was denn nun wirklich die richtigen Maßnahmen sind.
Während die meisten dabei auf strikte Einschränkungen des öffentlichen Lebens setzen, gibt es einige Experten und Länder, die auf sogenannte Herdeimmunität setzen, dabei sollen möglichst viele Menschen sich infizieren, gesund werden und dann immun sein.
In Schweden sind deswegen bisher noch nahezu keinen Einschränkungen ausgesprochen worden. Doch wie schafft man es, diejenigen zu finden, die die Krankheit wirklich problemlos überstehen können.
Die Todeszahlen aus Italien und Spanien erschrecken und stellen in Frage, wie man so Risikogruppen wirklich schützen könnte, wenn man nicht möglichst viele Menschen isoliert.
Nun wird auch in Deutschland die Frage immer lauter, wie lange man denn noch nahezu ausschließlich auf dieses Virus achten kann, viele andere Probleme, ob innerhalb oder außerhalb der Medizin, bestehen weiterhin und bekommen aktuell wenig oder keine Beachtung.
Ein Hamburger Klinikdirektor wendet sich an die Öffentlichkeit und fordert, dass „wir mehr Ansteckungen zulassen“ sollen.
Klinikdirektor fordert Ende der Ausgangssperre
Die aktuellen Maßnahmen, die Ausgangseinschränkungen in Deutschland weiter zu verlängern, trifft bei Ansgar Lohse, Klinikdirektor des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, auf viel Sorge.
Der 60-jährige Virologe befürchtet schwere medizinische Folgen dabei, berichtet die B.Z..
„Die Betreuung von psychisch Kranken ist schwieriger geworden, die Familiensituation in engen Räumen birgt extremes Konfliktpotenzial und eine Wirtschaftskrise wirkt sich direkt auf die Sterblichkeit aus. Je länger die Maßnahmen andauern, umso mehr.“
Also fordert der Klinikdirektor das Ende der aktuellen Ausgangssperren und ein Weg zurück zu offenerem, öffentlichem Leben.
„Mehr Ansteckungen zulassen“
„Ohne eine Impfung, die vor 2021 nicht kommen wird, kann die unkontrollierte Ausbreitung des Virus nur gestoppt werden, wenn eine ausreichende Zahl von Menschen eine Immunität entwickelt.
Die Epidemie wird sonst jedes Mal neu aufflammen, wenn wir die Maßnahmen lockern. Wir müssen zulassen, dass sich diejenigen, für die das Virus am ungefährlichsten ist, zuerst durch eine Ansteckung immunisieren.“
Heißt also, auch er wäre für ein schwedisches Modell der Herdenimmunisierung. Trotzdem räumt der Mediziner ein, dass es durchaus gefährlich ist.
Dabei sollte allerdings nicht vergessen werden, wie viele andere medizinische Gefahren und Probleme es gibt. Daher müsse man durch gezielte Ansteckungen versuchen eine Immunität zu verbreiten.
„Sowohl Kinder als auch die allermeisten von ihren jungen Eltern gehören nicht zur Risikogruppe. Je schneller diese Gruppe eine Infektion durchmacht, umso besser. Kitas und Schulen sollten deshalb bald wieder öffnen.
Gleichzeitig müssen wir die wirklichen Risikogruppen besser schützen. Wir haben immer noch zu wenige Maßnahmen für die Altenheime und die ambulante Pflege. Jede Pflegekraft muss eine Schutzmaske tragen.“
Wo und welche Maßnahmen wirklich gelockert werden sollen, ist auch laut Lohse schwierig zu ermitteln und muss regional abgeklärt werden.
Außerdem sei es wichtig, bereits geheilte, also Immune Mitbürger durch Test identifizieren zu können.
„Nicht nur auf Corona schauen“
Laut dem Hamburger Klinikdirektor sind diese Erkenntnisse und Meinungen auch im direkten Austausch mit Kollegen entstanden.
„Ich bin mit vielen Kollegen aus ganz verschiedenen Fachrichtungen im Diskurs, die ähnlich denken.
Wir sind uns einig, dass wir nicht nur auf Corona schauen dürfen. Auf Dauer richten wir sonst zu große Schäden an.“
Viele Menschen würden vergessen, dass vor Corona schon viele medizinische Probleme vorhanden waren, die durch das Virus nicht einfach verschwunden sein.
„Viele Menschen werden leiden und sterben, weil andere Krankenhausbetten reduziert werden, weil soziale und ärztliche Dienste nicht mehr funktionieren, weil Menschen vereinsamt und andere zusammengepfercht leben müssen, weil Karrieren und Existenzen gefährdet werden.“
Aktuell ist es wohl für jeden noch so großen Experten schwer, einzuschätzen was wirklich richtig ist.
Doch ein neutraler, inhaltlicher und von Expertise getragener Diskurs muss stattfinden, um das Land und die Bürgerinnen und Bürger auch über das Coronavirus hinaus zu schützen und zu unterstützen.
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