Am 30. September 1934 kam im österreichischen Klagenfurt ein Junge zur Welt, der die deutschsprachige Musikwelt für immer verändern sollte: Jürgen Udo Bockelmann.
Seine Kindheit verbrachte er auf Schloss Ottmanach, einem großbürgerlichen Gut am Magdalensberg in Kärnten, zusammen mit seinen Brüdern John und Manfred.
Udo Jürgens beschrieb sich selbst später als „dünnes, schmächtiges Mauerblümchen mit fürchterlich abstehenden Ohren“. Doch was ihm an Kraft fehlte, machte er mit Musik wett.
Das Klavierspielen brachte er sich selbst bei – noch bevor er formellen Unterricht erhielt. Seine ersten Geschenke waren eine Mundharmonika, später ein Akkordeon.
Die blühenden Obstbäume gegen den blauen Himmel gehörten zu seinen ersten Erinnerungen – eine Idylle, die bald von düsteren Zeiten überschattet werden sollte.

Die dunklen Jahre: Krieg, KZ und eine Ohrfeige mit Folgen
Die Nazi-Zeit hinterließ tiefe Spuren. In der Hitlerjugend bekam Udo eine so heftige Ohrfeige von einem Gruppenführer, dass sein Gehör auf einem Ohr dauerhaft eingeschränkt blieb.
Noch dramatischer: Sein Vater Rudolf brachte die Familie während der Kriegsjahre auf dem Familiengut Barendorf bei Lüneburg in Sicherheit und wurde dafür wegen Fahnenflucht von den Nazis verhaftet, ins KZ gesperrt und zum Tode verurteilt. Nur das Kriegsende am 8. Mai 1945 rettete ihm das Leben.

Der Durchbruch: Fünf Schilling die Stunde
Nach dem Krieg wurde aus dem Mauerblümchen ein Musiker. Mit 12 Jahren besuchte Udo einen Theaterabend im Klagenfurter Stadttheater. Danach setzte er sich ans Klavier und überraschte seinen Vater mit dem „Valse Musette“ – seiner ersten kleinen Komposition. In diesem Moment, so sagte er später, fühlte er sich „unbesiegbar“.
Er studierte am Konservatorium Klagenfurt Klavier, Harmonielehre, Komposition und Gesang. Seine erste Gage betrug fünf Schilling pro Stunde für einen Auftritt im Gasthof Valzachi – umgerechnet etwa 0,83 Mark.
Unter dem Künstlernamen „Udo Bolán“ spielte er Jazz und Swing, liebte Count Basie, Benny Goodman und Duke Ellington.
Merci, Chérie – der dritte Anlauf zum Triumph
Beim Eurovision Song Contest 1966 in Luxemburg kam der große Durchbruch. Nach zwei Anläufen 1964 (Platz 6 mit „Warum nur, warum?“) und 1965 (Platz 4 mit „Sag ihr, ich laß sie grüßen“) gewann Udo Jürgens im dritten Versuch mit „Merci, Chérie“ – mit 31 Punkten, fast doppelt so vielen wie die Zweitplatzierten. Vorjahressiegerin France Gall überreichte ihm die Siegesmedaille.
Die Platin-Schallplatte für eine Million verkaufte Einheiten folgte. Der internationale Durchbruch war geschafft.
„Griechischer Wein“ und Leben in der Schweiz
1974 kam der Song, der ihn endgültig unsterblich machte. Nach einem Urlaub auf Rhodos komponierte Udo die Melodie zu „Griechischer Wein“ in nur 20 Minuten. Doch er wartete zwei Jahre auf den richtigen Text – bis Textdichter Michael Kunze die Idee hatte, das Lied von griechischen Gastarbeitern im Ruhrgebiet handeln zu lassen.
„Griechischer Wein“ erreichte 1975 Platz 1 in Deutschland und der Schweiz. Der griechische Ministerpräsident Konstantinos Karamanlis empfing Udo und Kunze persönlich, um ihnen für die Thematisierung der Gastarbeiter-Problematik zu danken.
Weitere Klassiker folgten: „Aber bitte mit Sahne“ (1976), „Mit 66 Jahren“ (1977) – das Lied über Lebensfreude im Alter. Und natürlich „Ich war noch niemals in New York“, das später sogar einem ganzen Musical den Namen gab.
Seit 1977 lebte Udo in der Schweiz – erst in Zürich, dann in Zumikon, schließlich in Meilen am Zürichsee. 2007 erhielt er die Schweizer Staatsbürgerschaft, blieb aber gleichzeitig Österreicher. Sein Markenzeichen war die Zugabe im weißen Bademantel, von denen er über 1.600 Stück ins Publikum warf.

Der unerwartete Abschied
Am 7. Dezember 2014 begeisterte Udo Jürgens noch 10.000 Fans im ausverkauften Zürcher Hallenstadion. Es sollte sein letztes Konzert sein. Am 21. Dezember 2014 brach er bei einem Spaziergang in Gottlieben am Bodensee zusammen.
Sein Assistent Billy Todzo versuchte verzweifelt, ihn wiederzubeleben, doch um 16.25 Uhr im Krankenhaus von Münsterlingen starb Udo Jürgens an Herzversagen. Er wurde 80 Jahre alt.
„Nach den gemeinsamen triumphalen Konzerterfolgen sind alle erschüttert und fassungslos über den plötzlichen Tod ihres Freundes“, hieß es in der Mitteilung seines Managements.
Ein bleibendes Vermächtnis
Udo Jürgens komponierte über 1.000 Lieder und verkaufte über 105 Millionen Tonträger. Seine Karriere erstreckte sich über nahezu 60 Jahre. Im kärnten.museum in Klagenfurt entsteht derzeit ein eigenes Museum, das 2027 eröffnen soll – mit persönlichen Objekten aus seinem Nachlass, darunter sein Motorboot „Merci, Chérie“, goldene Schallplatten und der Bambi für sein Lebenswerk.
Vom schmächtigen Mauerblümchen aus Kärnten zur Musik-Legende – Udo Jürgens bewies, dass Talent, Durchhaltevermögen und der Mut, gesellschaftliche Themen anzusprechen, eine Karriere für die Ewigkeit schaffen können. Merci, Udo!