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Geiseldrama von Gladbeck – Vor 36 Jahren ereignete sich eines der düstersten Kapitel der deutschen Mediengeschichte

Vor 36 Jahren kam es in Deutschland zu einem auf­se­hen­er­re­gend Verbrechen. Zwei Männer rauben zunächst eine Bank im nordrhein-westfälischen Gladbeck aus und sind dann rund 54 Stunden auf der Flucht. Drei Menschen kamen dabei ums Leben.

Bis heute erschüttern die Ereignisse auf vielfältige Weise.

Der Beginn des Geiseldramas von Gladbeck

Am 16. August begann das Geiseldrama, das zu einem der dunkelsten Kapitel der Geschichte der Bundesrepublik werden sollte. Um 07:55 Uhr drangen Hans-Jürgen Rösner und Dieter Degowski in die Bank in Gladbeck ein. Sie erpressten 120.000 DM von den Mitarbeitern, und fast wäre die Geschichte hier schon zu Ende gewesen.

Denn eigentlich hatten die beiden Männer das Gebäude schon wieder verlassen wollen. Doch weil ein Arzt, der seine Praxis über der Bank hatte und das Eindringen von Rösner und Degowski beobachtete, die Polizei gerufen hatte, stand ein Streifenwagen direkt gegenüber der Bank. Nur deshalb kehrten die beiden Bankräuber überhaupt noch einmal um und nahmen zwei Angestellte als Geiseln.

Das Gebäude der Bank heute, in der das Geiseldrama von Gladbeck seinen Lauf nahm – Foto: WebwasherCC BY 3.0, via Wikimedia Commons

Sie forderten von der Polizei einen Fluchtwagen und Lösegeld in Höhe von 420.000 DM. Eine besondere Rolle bei dem Verbrechen spielte Hans Meiser, der in der Bankfiliale anrief und ein Telefoninterview mit Rösner führte.

Als Rösner abhob, sagte Meiser: „Hier ist Hans Meiser vom deutschen Fernsehen – wer sind denn Sie, bitte? – „Der Bankräuber.“ – Wie bitte?“ – „Der Bankräuber!“

Das Gespräch geht weiter:

„Sie sind der Bankräuber?“

„Ja.“

„Können Sie mir sagen, welche Forderungen Sie über die 300.000 Mark hinaus stellen? Was für einen Fluchtwagen wollen Sie denn haben?“

„Dass wir die 300.000 Mark fordern, Handschellen fordern…“

„Wozu brauchen Sie denn Handschellen? Das heißt, Sie wollen ihre Geisel nicht freilassen, wenn sie die Forderungen erfüllt haben, zunächst?“

„Zunächst nicht, wir wollen sie mitnehmen.“

„Wo wollen Sie denn hinfahren?“

„Das werde ich Ihnen noch sagen.“

„Na gut, man kann sie mit Hubschraubern verfolgen.“

„Das Gespräch ist beendet.“

Ungewöhnliches Fluchtverhalten

Um 21:45 Uhr verließen die Täter mit einem Fluchtwagen und 300.000 DM die Bank. Ihre Fluchtverhalten war dabei sehr ungewöhnlich.

Anstatt Gladbeck aufgrund der Verfolgung direkt zu verlassen, deckten sich die Täter mit Reiseproviant und Alkohol ein. Mit gezogener Waffe gab Rösner eine Großbestellung in einer Imbissstube ab und kaufte anschließend Schlaftabletten in einer Apotheke.

Außerdem wechselten die Täter ihr Fluchtfahrzeug, fielen dabei aber auf eine Falle der Polizei herein. Diese hatten ein Auto mit einem Peilsender versehen, das Rösner und Degowski stahlen.

Bevor sich die beiden Geiselnehmer schließlich entschlossen, Gladbeck zu verlassen, steig Marion Löblich, eine Freundin von Hans-Jürgen Rösner noch mit ins Auto.

Flucht über die Autobahn

Zunächst flüchteten die nun drei Geiselnehmer bis nach Hagen, wo sie unbehelligt frühstückten. Über die A1 gibt es schließlich bis nach Bremen, wo Rösner und seine Freundin sogar in eine Boutique gingen, um Kleidung zu kaufen.

Die bis dahin eher skurrile Geiselnahme eskalierte in Bremen, als die Täter einen Bus mit 32 Fahrgästen in ihre Gewalt nahmen. Dabei kam es zu einem verworrenen und fanatischen Interview von Rösner, das später traurige Bekanntheit erlangen sollte.

Rösner und Degoswki werden dabei immer aggressiver und angespannter, weil sich inzwischen auch Scharfschützen auf den Dächern positioniert haben. Rösner äußerte dabei unter anderem die Worte:

„Du alte Dreckssau, geh da oben weg, sonst knall ich Dir einen rein, Du Penner.“

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Die Reporter, die inzwischen in großer Zahl vor Ort waren, interviewten auch zwei Geiseln, während diese von den Geiselnehmern eine Pistole vor den Kopf gehalten bekamen.

Diese Szene war symbolisch für das Verhalten der Presse und sollte später noch für viele Kritik sorgen.

Schließlich verließ der Bus mitsamt seiner Insassen Bremen.

Nachdem die Täter weiter über die A1 geflüchtet waren und an einer Raststätte halt gemacht hatten, konnte die Polizei Rösners Freundin bei einem Toilettengang festnehmen.

Daraufhin verlangten Rösner und Degowski ihre sofortige Freilassung und drohten, nach fünf Minuten eine Geisel zu erschießen, wenn ihre Forderung nicht erfüllt würde.

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Geiselnahme von Gladbeck – 18 August 1988: 10.53 Uhr Der Fluchtwagen der beiden Geiselgangster Hans-Jürgen Rösner und Dieter Degowski und ihrer Geiseln Silke Bischoff und Ines Voitle sowie Rösner´s Freundin Marion Löblich steht in der Kölner Fußgängerzone Breite Straße, umringt von einem Pulk Schaulustiger und Journalisten. Die Täter geben vor laufenden Kameras Interviews – Köln wird zum Schauplatz der wohl berüchtigsten „Pressekonferenz“ der deutschen Kriminalgeschichte. Der Express-Reporter Udo Röbel steigt später sogar in den Fluchtwagen, um den Geiselnehmern den Weg bis zur Autobahn zu zeigen. Als die Limousine sich um 12.31 Uhr wieder in Bewegung setzt, drängen Presseautos die Verfolgungsfahrzeuge der Polizei ab. (Photo by ZIK Images/United Archives via Getty Images)

Der Tod von Emanuele De Giorgi

Da die Polizei Marion Löblich aber bereits an einen anderen Ort gebracht hatte, konnten sie die Frist nicht einhalten, und Degowski schoss dem 14-jährigen Italiener Emanuele De Giorgi – einer der Geiseln im Bus – in den Kopf. Er wollte seine 9-jährige Schwester beschützen.

Da die Einsatzleitung keinen Rettungswagen vor Ort bestellt hatte, traf der Notarzt erst 15 Minuten später ein und konnte nur noch den Tod des Jungen feststellen.

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Die Geiselnehmer flüchteten daraufhin weiter mit dem Bus bis in die Niederlande, wo es zu einer Schießerei mit der niederländischen Polizei kam und der Bus beschädigt wurde.

Die drei Geiselnehmer erhielten ein neues Fluchtauto und fuhren mit zwei Geiseln aus dem Bremer Bus, Silke Bischoff und Ines Voitle, weiter bis nach Köln. Dort kam es wiederum zu fragwürdigen Szenen, als Journalisten inmitten von Passanten in der Fußgängerzone das Fluchtauto mit den Straftätern sowie den Geiseln umlagerten und Interviews führten.

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Nach einer anschließenden weiteren Flucht über die Autobahn endete die Geiselnahme am 18. August 1988 in einer schrecklichen Tragödie auf der A3 bei Bad Honnef, als die Polizei das Fluchtfahrzeug stoppte. Während des dramatischen Showdowns wurde die 18-jährige Geisel Silke Bischoff tödlich getroffen.

Hans-Jürgen Rösner und Dieter Degowski wurden anschließend nach tagelanger Flucht festgenommen.

Der Name von Silke Bischoff wurde später zu einem tragischen Synonym für die Geiselnahme, und eine Gedenktafel erinnert bis heute an ihren Tod.

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Die Gedenktafel für Silke Bischoff, die zu den Opfern des Geiseldramas von Gladbeck gehört – Foto: Onkel Dittmeyer, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons

Nach dem Geiseldrama von Gladbeck

Verurteilung der Täter

Die Täter, Hans-Jürgen Rösner und Dieter Degowski, wurden nach ihrer Festnahme zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt. Dieter Degowski wurde 2018 nach 30 Jahren Haft auf Bewährung entlassen, während Hans-Jürgen Rösner sich bis heute in Haft befindet.

Marion Löblich wurde Mitte der 1990er-Jahre wegen guter Führung aus dem Gefängnis entlassen. Sie heiratet ein viertes Mal und nahm den Namen ihres Mannes an. Seitdem lebt sie in Magdeburg.

Die Rolle der Medien beim Geiseldrama von Gladbeck

Beim Geiseldrama von Gladbeck gerieten die Medien stark in die Kritik. Die Journalisten erhielten außergewöhnlichen Zugang zu den Ereignissen und ihre Live-Interviews und Sendungen waren höchst umstritten.

Die Journalisten durchbrachen die unsichtbare Grenze zwischen Beobachtern und Teilnehmern, einige von ihnen dirigierten sogar die Kriminellen, um dramatisches Filmmaterial zu erhalten.

Ihr Verhalten löste eine heftige ethische Debatte im Journalismus aus. Das unerbittliche Streben um jeden Preis führte zu einer Überarbeitung der Mediengesetze und Berichterstattungsrichtlinien, um solche Einmischungen in zukünftigen Krisen zu verhindern.

Der Tagesspiegel kommentierte das Verhalten der Journalisten drei Jahrzehnte später mit den Worten:

„Das bizarre Fiasko, in dem die Einsatzkräfte während des unverschämten Katz-und-Maus-Spiels der Täter untergingen, wurde nur noch von der Sensationsgier der Reporter übertroffen. Während die Polizei im Blindflug agierte, waren die Medien umso näher dran. Direkt am Fluchtauto. Sie hatten ihre Bilder von blutüberströmten und mit der Pistole bedrohten Geiseln.““

Der Nachhall des Gladbecker Geiseldramas führte auch zu einer kritischen Überprüfung der Polizei, die im Laufe der Ereignisse einige vermeidbare Fehler begangen hatte.

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