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Oberstes deutsches Gericht entscheidet, dass Sanktionen für Hartz IV-Empfänger verfassungswidrig sind

Es kann theoretisch jeden treffen. Noch hat man einen gutbezahlten Job und Sicherheiten, plötzlich ist man auf Geld vom Staat sprich Hartz IV zum Überleben angewiesen.

Zurzeit liegt der Regelsatz für alleinlebende Erwachsene bei 424 Euro monatlich und soll die Grundbedürfnisse des Menschen decken.

Sollte der Hartz IV-Empfänger aber etwa einen Termin beim Jobcenter nicht wahrgenommen oder einen neuen Job abgelehnt haben, erwarten ihn Sanktionen, die diesen monatlichen Beitrag verringern können.

Dagegen wurde jetzt vor dem Bundesgerichtshof geklagt und dieser entschied laut Bild, dass teilweise ausgesprochene Strafen verfassungswidrig und monatelange Kürzungen nicht zumutbar seien.

Kürzungen verfassungswidrig

Im Mittelpunkt standen dabei Minderungen um 60 oder sogar 100 Prozent, die nach dem heutigen Tag nicht mehr ausgesprochen werden dürfen.

Vizegerichtspräsident Stephan Harbarth sagte zu dieser Entscheidung:

„Der Gesetzgeber schafft hier für die betroffenen Menschen, denen dann ein Teil des Existenzminimums fehlt, eine außerordentliche Belastung.“

Ähnlich äußerte sich auch eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit, die erleichtert auf die Neuerung reagierte:

„Bei jedem Einzelnen, der von Sanktionen betroffen war, mussten wir ein Mittel anwenden, das wir nicht wollten.

Wir wollen nicht sanktionieren. Sanktion ist immer die Ultima Ratio.“

Weiterhin sind aber Kürzungen in Höhe von 30 Prozent durchsetzbar, die Jobcenter können aber je nach Einzelfall darauf verzichten.

Zeigt sich der Betroffene einsichtig, dürfen die Sanktionen auch nicht volle drei Monate aufrecht erhalten werden, diese zurzeit noch verankerte Vorschrift muss vom Gesetzgeber überarbeitet werden.

„Etappensieg für soziale Grundrechte“

Für Sven Lehmann, Grünen-Sprecher für Sozialpolitik, ist das der erste Schritt von weiteren:

„Dieses Urteil ist ein Etappensieg für die sozialen Grundrechte aller Bürgerinnen und Bürger. Das Bundesverfassungsgericht tut damit das, wozu der Großen Koalition seit Jahren der politische Wille fehlt. Es schiebt der völlig aus dem Ruder gelaufenen Sanktionspraxis der Jobcenter einen Riegel vor.“

Das Jobcenter verhängte im Jahr 2018 etwa 904.000 Sanktionen, dreiviertel davon wurden aufgrund nicht eingehaltener Termine ausgesprochen.

Bei jeder fünften Strafe handelte es sich um gravierende Verfehlungen.

Dadurch, dass eine Person auch mehrfach betroffen sein kann, liegt die Zahl der Betroffenen bei 441.000 Menschen im vergangenen Jahr. Durchschnittlich wurden im Monat Dezember 109 Euro bei Hartz IV-Empfängern gestrichen.

Weil die Sozialleistung Hartz IV für so viel Ärger in der Vergangenheit sorgte, möchte die Politik grundlegend über einen neues System nachdenken.

Die SPD möchte eins mit weniger Sanktionen und höheren Leistungen für ältere Arbeitslose, die Grünen peilen auch Änderungen an.

Die Linke möchte das System sogar gänzlich abschaffen.

Mit diesem Urteil können Hartz IV-Empfänger etwas sorgenfreier in die Zukunft blicken.

Natürlich ist das nicht der schönste Zustand, doch zumindest wird ihnen dadurch die Grundsicherung zum Leben garantiert.